Vor kurzem habe ich einen Kommentar gelesen. Eine Physiotherapeutin, die aktuell Medizin studiert, schrieb, ihr Dozent nannte Physiotherapie “nur Zeit und Zuwendung”. Einige Tage später behandelte ich eine Patientin, die ein Polytrauma auf Grund eines Autounfalles hatte. Der operierende Arzt hatte wohl einen schlechten Tag, denn bei einem Kontrolltermin, so berichtete die Patientin, machte er sie richtig rund – Reha sei von gestern, in den USA gebe es sowas gar nicht – sie müsse täglich üben und belasten. Es sei ihre Verantwortung und sie brauche keine Reha. Der Arzt war hier vielleicht etwas schroff aber im Grunde hatte er recht.
Vielleicht empfinden wir es als harte Worte, dass Physiotherapie nur „Zeit und Zuwendung“ wäre und die Verantwortung komplett an den Patienten abzugeben. Von der anderen Seite fühle ich diese extreme Kluft des Ausnutzen und sich Streicheleinheiten abzuholen ja ebenfalls. 20 Minuten über ein gesetzliches Physiotherapie Rezept sind wirklich nicht viel Zeit um jemanden “ganz” zu machen.
Und wenn ich mal ehrlich bin, habe ich mein Physiotherapie Angestellten Dasein exakt deswegen aufgegeben. Menschen am Fließband zu behandeln – nicht zielführend – nicht die optimalste Behandlung aus meinem Wissen – in manchen Situationen einfach nur weil der Kommunikationsaufwand so dermaßen schlaucht und der „Patient“ es auch gar nicht anders will.
Die Menschen, die häufig in einer Physiotherapiepraxis zu finden sind, sind in meinen Augen Energiesauger, faule und nicht compliantfähige Ausnutzer. Das wäre an sich gar nicht tragisch – wenn sie nicht auf Kosten eines solidarischen Konzepts andern das Leben schwer machen, denen die Behandlung wirklich nutzen würde. Aber das wäre wiederum ein Thema für einen weiteren Post.
Wie weit soll das System gehen?
Versteht mich nicht falsch. Ich nutze gerne mal eine Einheit mit Massagetechniken oder passiven Anwendungen, um den Mensch zur Ruhe zu bringen, ein motivierendes Gespräch zu führen und auch Schmerzen zu lindern. Vor allem gerne um Ziele zu reflektieren, so dass die anderen 10.060 Minuten in der Woche genutzt werden können, um den Heilungs- und Genesungsprozess zu fördern. Dann siehst du allerdings die Menschen, die seit 5 Jahren zu dir kommen und es passiert einfach gar nichts, da die Menschen schlicht nicht bereit sind selbst etwas zu ändern.
Es geht nicht nur um die Energie neue Ansätze, Wissen und andere Möglichkeiten zu recherchieren, auch die Zeit die mir für andere fehlt und die Enttäuschung, wenn sich nichts tut. Als Physiotherapeut schickst du kaum Patienten weg, vor allem nicht als Angestellter. Erstgespräche, Zielformulierungen und die Wichtigkeit der Eigeninitiative sind zu Beginn jeder Behandlung wichtig. Das Hamsterrad von passiven Maßnahmen, Wellness, getarnt im Mantel der Krankheitsbehandlung, werfen die Physiotherapie zurück. Wie soll man hier entgegenwirken? Limitation bei bestimmten Krankheitsbildern und die Eigeninitiative auf Grundlage von Übungen und Plänen durch den Physiotherapeuten?
Ich bin als Physiotherapeutin nicht einfach jemand der “Zeit und Zuwendung” gibt oder ein Ersatz für eine anständige Reha nach einer Operation oder einem Unfall. Ich gebe Menschen Wissen, gebe Sicherheit, steigere Motivation und reflektiere mit ihnen was sie alles erreicht haben – oder eben auch nicht. Die Wahrheit liegt hier wohl auch wieder irgendwo in der Mitte. Ich sehe mich als Empowerer für Menschen, die nach einem Unfall, bei chronischen Erkrankungen & langfristig Erkrankungen entgegenwirken wollen und nicht zu vergessen, ihren Gesundheitszustand verbessern und so lange wie möglich auf einem guten Level halten wollen.
Die moderne Physiotherapie startet nicht in Bauchlage auf der Pritsche. Moderne Physiotherapeutie gibt mit Wissen und Plänen Verantwortung ab. Jetzt wird es Zeit – Nimm du die Verantwortung für dich, deine Gesundheit und deine Mind-Body-Balance in die eigene Hand.
